Was Catcalling ist und wie du dich wehren kannst

Hinter dem niedlich klingenden Begriff „Catcalling“ verbirgt sich eine Form des verbalen Übergriffs, die weit verbreitet ist. Wir zeigen dir, was Catcalls sind und wie du dich dagegen richtig wehren kannst.

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Hinter dem niedlich klingenden Begriff „Catcalling“ verbirgt sich eine Form des verbalen Übergriffs, die weit verbreitet ist. Wir zeigen dir, was Catcalls sind und wie du dich dagegen richtig wehren kannst.

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Definition von Catcalling

Catcalling bezeichnet sexuell anzügliches Rufen, Reden, Pfeifen oder Gestikulieren gegenüber einer Person in der Öffentlichkeit. Es stellt eine Form verbal sexualisierter Belästigung dar, für das schon ein Wort ausreichen kann. Meist gehen solche Übergriffe von Männern aus und beziehen sich auf das Aussehen und den Körper einer Frau. Aber auch Männer sind davon betroffen.

Mit körperlichen Übergriffen ist Catcalling nicht verbunden, wird jedoch von Betroffenen oft als Vorstufe dazu empfunden. Die Reaktionen darauf sind sehr unterschiedlich, viele begleitet aber die Angst, dass es nicht beim „Calling“ bleibt. Wir haben mit Betroffenen über ihre Erfahrungen mit Catcalling gesprochen:

Es war nachmittags, gegen 17 Uhr. Ich war auf dem Weg zum Bahnhof. Ein Auto mit 3 oder 4 Männern drin kam mir entgegen und hupte. Der Beifahrer rief: „Geile Schnitte!“ Ohne nachzudenken, habe ich denen den Mittelfinger gezeigt. Das Auto drehte um und folgte mir. Auf meiner Höhe warfen sie eine Flasche aus dem Fenster und schrien: „Wir finden dich, du Schlampe!“

Ich habe früher öfter als Kellner gejobbt. Ich wirke sympathisch und sehe ganz gut aus, das hat sich z. B. öfter beim Trinkgeld positiv bemerkbar gemacht. Weniger gut waren anzügliche Bemerkungen, wie sie immer wieder mal von reinen Frauentischen kamen. Fast immer waren diese Damen schon etwas älter und ziemlich angeheitert. Das erklärt ihr Verhalten, aber macht es nicht akzeptabel. Ich habe es ignoriert. Innerlich war ich aber ziemlich sauer, weil ich das Gefühl hatte, dass sie mich für käuflich hielten. Eins muss ich aber auch sagen: Meine Kolleginnen hatten wesentlich häufiger unter männlicher Anmache zu leiden, als ich unter weiblicher.

Blöde Anmache kann dir überall passieren – und passiert auch überall. Ganz gleich, ob du geschminkt und im körperbetonten Kleidchen oder im Winter vermummt wie Ötzi rumläufst. Allerdings passiert es in bestimmten Stadtvierteln öfter als in anderen. Es scheint etwas mit Bildung und Kultur zu tun zu haben, genauer: mit einem Mangel an beidem. Ich versuche, solche Orte zu meiden, aber das geht halt nicht immer. In der U-Bahn, beim Joggen und selbst auf der Arbeit hab ich so etwas hinnehmen müssen. Wie ich damit umgehe? Ich bin genervt, ich bin angespannt und es macht mir noch Stunden später total schlechte Laune. Ansonsten reagiere ich in der Situation selbst überhaupt nicht. Ich verstehe nicht, wie die Kerle glauben können, dass primitive Anmache gut ankommt.

Klar ist, dass Catcalls ein No-Go sind und das Selbstwertgefühl sowie die (Selbst-)Sicherheit erheblich schwächen können. Das Gefühl, in Gefahr zu sein und daraufhin bewusst oder unterbewusst sein Verhalten zu verändern, macht Catcalling zu einem gesellschaftlich relevanten Thema. So sind viele z. B. aus Angst spät abends nicht allein unterwegs oder wählen bewusst einen anderen Weg. Kommt es zum Catcalling, können sich auch Wut und Verärgerung hinzumischen. Beispielsweise dann, wenn man das Gefühl hat, dass die Täterin bzw. der Täter ohne Konsequenzen davonkommt.

Auswirkungen auf das seelische Wohlbefinden und Verhalten

Schuldsuche bei sich selbst

Ein typisches Phänomen bei Catcalling-Opfern: Sie suchen die Schuld bei sich selbst. Und fragen sich aus Unsicherheit, ob sie die Situation durch ein Outfit oder das eigene Verhalten sogar provoziert haben. Aber: Du trägst in keinem Fall die Verantwortung, wenn dich Catcalling trifft! Sexuelle Belästigung ist niemals in Ordnung – egal, wie kurz der Rock oder tief der Ausschnitt ist.

Selbstwert, Körperscham und Angst

Wer Catcalling als bedrohlich oder entwürdigend wahrnimmt, fühlt sich oft stark in seinem Selbstwert angegriffen: „Ich werde schlecht behandelt, also bin ich schlecht“. Sei dir sicher: Das ist nicht so!

Auch die Körperscham und Angst vor körperlichen Übergriffen steigen mit mehr Catcalls. Daraus entwickeln sich automatisch Strategien zur Vermeidung: Welchen Weg wähl ich heute, ist er sicher? Sollte ich bestimmte Gegenden meiden? Wann wird es dunkel?

So wehrst du dich gegen Catcalling

Wenn du dich fragst, wie du mit verbalen Übergriffen und bestimmten Situationen am besten umgehst, bedenk bitte:

  • Setz dich in der Situation nicht zu sehr unter Druck.
  • Fühl dich nicht verpflichtet, perfekt und durchdacht zu reagieren.

Man kann nicht auf alles vorbereitet sein und oft geht es ruckzuck, ohne dass man etwas tun kann. Um dich trotzdem so gut wie möglich gegen Catcalling zu wehren und bewusst über deine Situation zu entscheiden, haben wir 9 Tipps für dich, die dir mehr Sicherheit geben:

Sei nachsichtig mit dir selbst. Gib dir auf keinen Fall selbst die Verantwortung dafür und distanzier dich.

Die Aussagen der Täterin oder des Täters sagen nichts über dich persönlich aus. Die negativen, respektlosen und übergriffigen Sprüche zeigen das Fehlverhalten der Person und sie allein tragen die Schuld.

Es ist nachvollziehbar und generell der sicherste Weg, vorsichtig und cool zu bleiben. Wenn du der Person keine Beachtung und Aufmerksamkeit schenkst, endet die Situation meist schnell. Schließlich weiß man nicht, welche Persönlichkeit mit welchen Absichten dahintersteckt.

Leider kann das Ignorieren auch als Zustimmung oder Provokation missverstanden werden. Sollte diese Situation eintreten, empfehlen wir, klare Verhältnisse zu schaffen. Grenz dich deutlich ab. Am besten mit einer eindeutigen, klaren und lauten Ansage wie „Hör auf damit!“, „Ich möchte das nicht!“ oder „Lass solche unverschämten Äußerungen bleiben!“

Es ist in jedem Fall eine gute Idee, Abstand zu halten. So hat es die Person nicht leicht, körperlich übergriffig zu werden. Und du kannst dich besser aus der Situation befreien. Durch eine klare Ansage wird die Botschaft auch ohne Körpereinsatz deutlich.

Was du vermeiden solltest, sind schlagfertige Fragen, die zu einer Antwort verleiten, wie z. B. „Was soll das?“ oder „Was willst du von mir?“. Mit solchen Rückfragen könntest du dich in ein Gespräch oder eine Diskussion verwickeln, obwohl du für Abstand und Schutz sorgen solltest. Eine gute Erklärung für das Catcalling wird es nicht geben. Genauso wenig hilfreich sind extreme oder anstößige Äußerungen. Auch aggressives Verhalten kann als Provokation wahrgenommen werden und die Situation verschärfen.

Es ist ratsam, laut zu benennen, was die Person gerade tut und zu sagen, was sie stattdessen tun soll: „Hör mit dem Gestöhne auf und geh weiter.“ Noch besser ist es, wenn andere mitbekommen, was gerade passiert. Denn Aktionen wie z. B. ein imitiertes Stöhnen zielen darauf ab, dass es dir peinlich ist. Die beste Gegenwehr, wenn sie möglich ist: Dreh das Ganze um und mach die Peinlichkeit zu ihrer, indem du das Fehlverhalten vor anderen enttarnst.

Wenn du z. B. in einem Restaurant oder Club bist, kannst du auch anderen Gästen oder dem Personal von dem Catcalling berichten. Falls die Person die Lokalität häufiger besucht und bereits übergriffig geworden ist, können schnell Maßnahmen ergriffen werden. So schützt du für die Zukunft nicht nur dich, sondern auch andere.

Solltest du als Betroffene oder Betroffener nach deiner Telefonnummer gefragt werden, kannst du statt deiner Nummer die sogenannte „NoA – Nummer ohne Anruf“ weitergeben. NoA ist ein Projekt, das Betroffenen dabei hilft, aus unangenehmen Situationen zu entkommen. Wenn du die Nummer von NoA weitergibst, kriegt die Person automatisch eine Nachricht, dass du dich unwohl gefühlt hast. Das Gute daran: Sie kennt deinen Namen nicht.

Wenn du Catcalling bei anderen Personen mitbekommst, hilfst du ihnen am besten mit Aufmerksamkeit. Sag laut und deutlich: „Das ist übergriffig!“ und geh aktiv auf andere Menschen in der Nähe zu und fordere sie auf, ebenfalls Stellung zu beziehen. Gemeinsam ist es sicherer für dich und die belästigte Person.

Auch wenn du richtig Lust hat, einer primitiven Anmache etwas entgegenzusetzen: Bitte wäge ab, wie gefährlich die aktuelle Situation ist. Deine eigene Sicherheit sollte immer an oberster Stelle stehen.

  • Sind Passant*innen in der Nähe, die helfen könnten, wenn die Situation eskaliert? Wenn andere Personen anwesend sind, ist es leichter möglich, mit Gegenwehr zu reagieren und das Fehlverhalten vor anderen zu enttarnen.
  • Ist man gerade allein im Park unterwegs? Dann sollte man sich möglichst für eine Reaktion entscheiden, mit der man der Situation auch unbeschadet entkommen kann.

Falls du merkst, dass es tatsächlich gefährlich werden könnte, ist es nie verkehrt, sich aus der Situation zu befreien und wegzulaufen. Mach dir nicht den Druck, um jeden Preis die Täterin oder den Täter verändern oder umerziehen zu müssen.

Leider ist Catcalling nicht gänzlich vermeidbar. Unabhängig von Alter, Geschlecht und Ort kann es überall passieren: in der U-Bahn, beim Einkaufen, beim Joggen, auf der Arbeit oder auf offener Straße. Solltest du dich einmal unwohl fühlen, wenn du alleine abends nach Hause unterwegs bist: Es gibt bestimmte Stellen, die du anrufen kannst, um dich auf deinem Heimweg telefonisch begleiten zu lassen, z. B. vom Heimwegtelefon. In einer akuten Bedrohungssituation kannst du auch NORA nutzen, die Notruf-App der Bundesländer. Mit ihr kannst du direkt Hilfe von Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdienst anfordern. Lieber einmal zu viel als zu wenig!

Stell dir vor, dass du jemandem vom Catcalling erzählst und die Antwort ist: „Da gibt es doch viel Schlimmeres!“ Damit wird dein Empfinden nicht nur abgewertet, es ist sogar Täterschutz. Dir wird damit gesagt: „Lass das!“ Diesen Satz sollte eigentlich die Täterin bzw. der Täter hören.

Denk immer daran, dass nur du über dein Empfinden entscheidest und die bestmögliche Reaktion immer individuell ist. Was die eigenen Freund*innen als Komplimente empfinden, kann für dich schon zu weit gehen. Zur Diskussion sollte jedoch nie stehen, ob es dir damit schlecht geht oder nicht – das weißt nur du.

Wenn du merkst, dass deine Ängste nach Catcalling Überhand nehmen, solltest du nicht zögern, dir psychologische Unterstützung zu suchen. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn du dich stark belastet fühlst und ein normaler Alltag nicht mehr möglich ist. Wir unterstützen dich dabei, z. B. mit Novego, einer Online-Hilfe bei psychischen Belastungen.

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