Mitfühlen lernen: Wie dein Kind Empathie lernt

Eltern sein heißt auch: emotionale Stärke mitgeben. Denn Empathie und emotionale Intelligenz entstehen nicht von allein – sie wachsen durch Vorbilder, Gespräche und die kleinen Dinge im Alltag.

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Eltern sein heißt auch: emotionale Stärke mitgeben. Denn Empathie und emotionale Intelligenz entstehen nicht von allein – sie wachsen durch Vorbilder, Gespräche und die kleinen Dinge im Alltag.

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Kleine Menschen, große Gefühle

Dein Kind schreit, weil es sein Spielzeug nicht teilen möchte, weil es die anderen Schuhe cooler findet, oder weil ihm gerade einfach alles zu viel ist. Solche Situationen gehören zum Familienalltag dazu und können Mamas und Papas Nerven ganz schön auf die Probe stellen. Aber sie sind auch Chancen: Denn hier beginnt emotionale Entwicklung.

Emotionale Kompetenz ist die Fähigkeit, eigene Gefühle wahrzunehmen, zu verstehen, auszudrücken und mit ihnen umzugehen. Gleichzeitig gehört dazu, die Gefühle anderer zu erkennen und mitfühlend zu reagieren – also empathisch zu handeln. Diese Fähigkeiten sind essenziell, um stabile Beziehungen aufzubauen, Konflikte zu lösen und psychisch gesund aufzuwachsen.

Wie sich emotionale Kompetenz entwickelt

Schon Babys reagieren auf die Stimmung ihrer Bezugspersonen. Lächelst du, lächelt dein Baby zurück. Bist du angespannt, wird auch dein Kind unruhig. Diese frühkindliche Resonanz legt den Grundstein für die emotionale Entwicklung.

Mit etwa 2 Jahren beginnen Kinder, eigene Gefühle differenzierter wahrzunehmen. Wut, Freude, Traurigkeit – all das erlebt dein Kind intensiv. Gleichzeitig versteht es langsam, dass auch andere Menschen Gefühle haben, die sich von den eigenen unterscheiden können.

Doch: Emotionen erkennen ist das eine. Mit ihnen umgehen das andere. Die Fähigkeit zur Emotionsregulation, also sich selbst zu beruhigen oder Frust auszuhalten, entwickelt sich über viele Jahre. Dabei spielt das soziale Umfeld eine zentrale Rolle. Vor allem du als Elternteil bist ein wichtiger „Gefühlscoach“.

Wenn emotionale Bildung auf der Strecke bleibt

Erwachsene, die nie gelernt haben, mit ihren Gefühlen umzugehen, zeigen oft typische Verhaltensmuster. Darunter leiden nicht nur sie selbst, sondern häufig auch ihr Umfeld.

Dahinter stecken meist keine bösen Absichten, sondern Überforderung und Unsicherheit, die oft entstanden sind, weil in der Kindheit Vorbilder fehlten.

  • Impulsives Verhalten und Wutausbrüche: Schon Kleinigkeiten können zum Ausrasten führen. Auf Kritik wird laut, aggressiv oder abwertend reagiert.
  • Emotionales Abschotten und Verdrängen: Sobald es emotional wird, beginnt der Rückzug: „Ich will jetzt nicht drüber reden.“ Auf Gefühlsäußerungen anderer wird kühl oder sarkastisch reagiert.
  • Mangel an Empathie: Das Hineinversetzen in andere fällt oft schwer. Die Reaktion auf emotionale Situationen ist häufig unangemessen, z. B. Lachen in ernsten Momenten.
  • Schwierigkeiten, Gefühlslage zu benennen: Die eigenen Gefühle können nicht benannt werden: „Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist.“ Komplexe innere Zustände können nur mit „gut“ oder „schlecht“ beschrieben werden. Es fällt schwer, Konflikte konstruktiv zu lösen.
  • Wiederkehrende Beziehungskonflikte: Die Bedürfnisse anderer Menschen werden regelmäßig missverstanden und ihre Gefühlsäußerungen werden schnell als Angriff aufgenommen. Für die eigenen Emotionen werden oft andere verantwortlich gemacht: „Du bist schuld, dass ich so bin!“

Empathie verstehen und fördern

Empathie bedeutet: Ich kann nachfühlen, was ein anderer Mensch empfindet – und entsprechend handeln. Sie entsteht also durch einen Perspektivwechsel: Was braucht mein Gegenüber gerade?

Kinder sind nicht automatisch empathisch. Sie müssen lernen, sich in andere hineinzuversetzen. Das geschieht zunächst innerhalb der Familie: durch Eltern, Geschwister, Nähe und Zuwendung. Vorgelebte Empathie wirkt stärker als jede Standpauke. Wenn du verständnisvoll auf andere reagierst, z. B. im Straßenverkehr, an der Supermarktkasse oder im Familienkreis, lernt dein Kind, es dir gleichzutun.

Doch ab etwa 3 Jahren wird der Kontakt zu Gleichaltrigen immer wichtiger. Spätestens im Kindergarten machen Kinder die ersten Erfahrungen in der Gruppe – und die sind entscheidend. Hier lernen sie, auf andere Rücksicht zu nehmen, sich durchzusetzen, mit Frust umzugehen und trotzdem Teil der Gruppe zu bleiben. Im Spiel, beim Toben, im Streit und in der Versöhnung entwickeln sie Stück für Stück wichtige soziale Fähigkeiten.

Ein zentrales Element kann der Stuhlkreis sein. Wenn Kinder erzählen, wie es ihnen geht und was sie fühlen, hören andere aufmerksam zu. So merken sie: „Ah, das Kind ist traurig.“ Oder: „Es ist gerade wütend.“ Und sie entwickeln Empathie und Selbstbewusstsein.

Im freien Spiel verhandeln Kinder Regeln, erleben Ablehnung, müssen sich behaupten. Das ist manchmal hart, aber wichtig. Denn in der Schule wird es nicht leichter: größere Gruppen, mehr Druck, weniger Raum für freies Üben. Umso besser, wenn Kinder bis dahin schon gelernt haben, wie man auf andere zugeht und auch mal Grenzen zieht.

Tipps für den Familienalltag

Kinder lernen im Alltag. Du musst kein Pädagogik-Profi sein, um emotionale Kompetenz zu fördern. Was zählt, ist deine Haltung:

Schon kleine Rituale haben große Wirkung: Plan regelmäßig Quality Time nur für dich und dein Kind ein. Das kann eine Gute-Nacht-Geschichte am Abend sein oder ein gemeinsames Hobby. Dabei könnt ihr Gedanken austauschen und euch über euren Tag unterhalten. Fragt euch z. B. gegenseitig: „Was war heute besonders toll? Was war doof?“ „Was hast du heute gemacht, worauf du stolz bist?“ „Hat heute jemand etwas Nettes für dich gemacht? Was hast du heute Nettes gemacht?“ „Was hast du heute gelernt?“

Sag, was du siehst und vermutest: „Du bist wütend, weil ich den Fernseher ausgemacht habe?“ So lernt dein Kind, seine Gefühle einzuordnen und auszudrücken.

Sätze wie „Stell dich nicht so an“ oder „Das ist doch nicht schlimm“ helfen nicht. Besser: „Ich verstehe, dass du traurig bist. Magst du erzählen, warum?“

Kinder profitieren, wenn du offen mit deinen Emotionen umgehst: „Ich bin heute gestresst. Deshalb bin ich gerade ungeduldig. Das tut mir leid.“ Das schafft Nähe und Verständnis.

Wenn sich Geschwister streiten, geh nicht sofort dazwischen. Hilf stattdessen, den Konflikt zu verstehen: „Was wolltest du? Und was wollte deine Schwester?“ Lass dein Kind bzw. deine Kinder dann selbst nach Lösungen suchen.

Kinder müssen nicht immer sofort getröstet oder abgelenkt werden. Manchmal reicht es, einfach da zu sein und zu signalisieren: „Ich bin bei dir. Es ist okay, traurig oder wütend zu sein.“

Wenn dein Kind von seinen Gefühlen überwältigt wird, können ihm 3 Schritte dabei helfen, wieder runterzukommen: 1. Kurz Pause machen. 2. Tief durch die Nase ein- und durch den Mund wieder ausatmen. 3. Bis 5 zählen. Am besten begleitest du jeden Schritt und machst ihn 1x vor.

Emotionale Reife entwickelt sich nicht linear und auch nicht von heute auf morgen. Rückschritte sind normal. Auch pubertierende Kinder brauchen noch emotionale Begleitung. Sie zeigen es nur anders.

Wichtig ist, dass du deinem Kind durch klare Grenzen einen sicheren Rahmen gibst. Denn Grenzen geben Kindern die Sicherheit, um emotionale Intelligenz zu entwickeln.

Ein Beispiel: Dein Kind ist wütend oder frustriert und kann diese Emotionen noch nicht regulieren? Wenn du jetzt ruhig eine Grenze setzt, z. B. sagst „Ich sehe, dass du wütend bist. Aber du darfst trotzdem niemanden hauen“, hilft das deinem Kind dabei zu lernen: Deine Gefühle sind okay – aber nicht jedes Verhalten. Sie nehmen dem Kind ein Stück der emotionalen Überforderung.

Du machst den Unterschied

Auch wenn du das größte Vorbild für dein Kind bist, heißt das nicht, dass du immer perfekt sein musst. Im Gegenteil: Gerade authentische, ehrliche Reaktionen wirken besonders lehrreich. Auch du lernst jeden Tag dazu.

Reflektiere regelmäßig: Wie gehe ich mit Stress um? Wie reagiere ich, wenn ich wütend bin? Erlaube dir selbst Fehler und sprich sie an. So merkt dein Kind schnell, dass auch Erwachsene nicht immer alles im Griff haben. Und dass man sich entschuldigen darf.

Wenn’s hakt: Hilfe holen

Nicht jedes Kind entwickelt sich gleich. Und nicht jede emotionale Herausforderung lässt sich allein bewältigen. Manche Kinder zeigen anhaltende Schwierigkeiten im Umgang mit Gefühlen, z. B. durch starke Wutausbrüche, Rückzug, Ängste oder Schlafstörungen.

In solchen Fällen kann es hilfreich sein, eine Erziehungsberatungsstelle oder eine Kinderpsychologin bzw. einen Kinderpsychologen aufzusuchen. Das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Verantwortung. Psychotherapeut*innen in deiner Nähe findest du z. B. über die Suche der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung e.V.

Auch du als Elternteil darfst dir Unterstützung holen, etwa in Kursen zur emotionalen Begleitung von Kindern, in Elterngruppen oder durch psychologische Beratung. Selbsthilfegruppen findest du über die NAKOS-Datenbank.

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