Überforderung bei Kindern erkennen

Manche Kinder geraten im Alltag durch zu viele Eindrücke oder Erwartungen aus dem Gleichgewicht. Erfahre, wie du frühzeitig reagieren und dein Kind liebevoll begleiten kannst.

Zum Inhalt springen

Manche Kinder geraten im Alltag durch zu viele Eindrücke oder Erwartungen aus dem Gleichgewicht. Erfahre, wie du frühzeitig reagieren und dein Kind liebevoll begleiten kannst.

Zum Inhalt springen

Sind Kinder heute gestresster als früher?

Kinder sollen heute oft vieles gleichzeitig leisten: gute Noten schreiben, mehrere Hobbys verfolgen, sich sozial einfügen und dabei möglichst selbstbewusst, kreativ und flexibel sein. Viele Eltern meinen es gut, wenn sie früh fördern, viel organisieren oder überall mithelfen – aber genau das kann zur Überforderung führen.

Dazu kommt: Digitale Medien sind im Alltag vieler Kinder allgegenwärtig. Sie fordern Aufmerksamkeit, fördern den ständigen Vergleich mit anderen und verkürzen echte Erholungspausen. Der ständige Input über soziale Medien, Games oder Videos kann das kindliche Nervensystem dauerhaft überlasten. Und auch liebevoll gemeinte Kontrolle – etwa durch sogenannte Helikoptereltern – kann Kindern die Möglichkeit nehmen, Selbstständigkeit zu lernen und eigene Stressbewältigungsstrategien zu entwickeln.

Der Alltag vieler Kinder ist heute dichter getaktet als je zuvor. Mit wenig Raum für freies Spiel, Langeweile oder das Verarbeiten von Erlebtem. Viele verbringen den Großteil des Tages in der Schule und anschließend in der OGS – teilweise bis in den späten Nachmittag hinein. Zeit für echte Erholung bleibt dabei kaum. Statt Pausen und Rückzugsmöglichkeiten bestimmen strukturierte Abläufe und eine nicht zu unterschätzende Lärmkulisse den Tagesrhythmus.

Psychische Belastungen: Zahlen und Fakten

Laut dem Robert Koch-Institut leidet etwa jedes 5. Kind in Deutschland an psychischen Auffälligkeiten, Mädchen etwas seltener als Jungen. Am häufigsten treten Ängste, depressive Verstimmungen und Verhaltensprobleme auf. Auch körperliche Beschwerden ohne organischen Befund, sogenannte psychosomatische Symptome, darunter Bauchweh, Kopfschmerzen oder Schlafstörungen, sind weit verbreitet.

Die Corona-Pandemie hat die Lage weiter verschärft. So zeigte die COPSY-Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), dass zeitweise mehr als 30 % der Kinder depressive Symptome zeigten. Auch Ängste, emotionale Erschöpfung und Überforderungsgefühle nahmen deutlich zu. Ein Trend, der auch nach Ende der pandemiebedingten Einschränkungen spürbar bleibt.

Warnzeichen: So erkennst du Überforderung bei deinem Kind

Nicht alle Kinder sprechen offen darüber, wenn sie sich überfordert oder traurig fühlen. Gerade jüngere Kinder können ihre Gefühle oft nicht benennen. Sie zeigen ihre Belastung eher durch ihr Verhalten oder körperliche Symptome.

Typische Warnsignale für Überforderung sind z. B.:

  • Häufige Bauch- oder Kopfschmerzen ohne medizinischen Grund
  • Gereiztheit, starke Stimmungsschwankungen oder aggressives Verhalten
  • Rückzug, Antriebslosigkeit oder plötzlicher Verlust von Interesse
  • Schlafstörungen, Albträume oder ständige Müdigkeit
  • Konzentrationsprobleme oder auffällige Leistungseinbrüche
  • Veränderungen im Essverhalten, z. B. Appetitlosigkeit oder extremes Essverlangen
  • Übermäßige Unruhe oder das Gefühl, nicht „abschalten“ zu können

Wenn du solche Veränderungen über einen längeren Zeitraum beobachtest, sprich offen mit deinem Kind – ohne Druck und Vorwürfe. Zögere nicht, Hilfe zu suchen, wenn sich der Verdacht auf eine tiefergehende seelische Belastung erhärtet.

Stress vorbeugen: Was hilft?

Damit Kinder seelisch gesund aufwachsen, brauchen sie Zeit, Raum und emotionale Sicherheit. Ein strukturierter, aber nicht überfrachteter Alltag, feste Bezugspersonen und echte Erholungszeiten können Überforderung vorbeugen.

So hilfst du deinem Kind, Stress zu vermeiden:

  • Plane Pufferzeiten ein: Vermeide, dass jeder Tag verplant ist. 1–2 freie Nachmittage pro Woche geben deinem Kind die Möglichkeit zum Durchatmen.
  • Lasse Langeweile zu: Auch wenn es anfangs schwerfällt, Langeweile fördert Kreativität und hilft beim Verarbeiten von Erlebnissen.
  • Sprich offen über Gefühle: Frage regelmäßig: „Wie fühlst du dich?“, „Was war heute schön – und was nicht?“
  • Sei ein gutes Vorbild: Lebe Pausen und einen achtsamen Umgang mit dir selbst aktiv vor.
  • Reduziere Reizüberflutung: Begrenze Medienzeit, schaffe medienfreie Zonen und schau gemeinsam, was konsumiert wird.
  • Struktur gibt Sicherheit: Geregelte Abläufe geben Halt, z. B. feste Schlafenszeiten, regelmäßige Mahlzeiten, wiederkehrende Rituale.
  • Achte auf Pausen zwischen den Aktivitäten: Zwischen Schule, Sport und Musikunterricht braucht dein Kind auch mal Zeit für sich.

Wie erkenne ich, was mein Kind wirklich braucht?

Um dein Kind optimal zu begleiten, hilft es, genau hinzuschauen:

  • Frage dein Kind nach seinen Interessen: Was macht ihm Spaß? Was würde es gerne ausprobieren, ganz ohne Vorgaben?
  • Beobachte Körpersignale: Wirkt dein Kind nach dem Fußballtraining müde, gestresst oder überdreht – oder glücklich und ausgeglichen?
  • Vermeide die ständigen Vergleiche: Nur weil andere Kinder 3x pro Woche ins Ballett gehen oder ein Instrument spielen, muss dein Kind das nicht auch tun.
  • Lass dein Kind mitentscheiden: Frag regelmäßig: „Möchtest du das weitermachen?“ – und akzeptiere auch ein „Nein“. Das stärkt Selbstbewusstsein und Autonomie.
  • Weniger ist oft mehr: 1-2 Aktivitäten, die wirklich Freude machen, reichen völlig aus. Freiräume sind kein Rückschritt, sondern ein Entwicklungsvorteil

Ist mein Kind depressiv?

Leichte depressive Verstimmungen und auch schwere depressive Erkrankungen zählen zu den häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter. Schon bei den Jüngsten treten Symptome auf: Etwa 1 % der Vorschulkinder und rund 2 % der Grundschulkinder sind betroffen. Besonders auffällig: Mit zunehmendem Alter steigen die Zahlen deutlich an. Zwischen dem 12. und 17. Lebensjahr erkranken laut der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention aktuell etwa 3-10 % der Jugendlichen an einer Depression.

Wenn du das Gefühl hast, dass dein Kind sich dauerhaft verändert hat, stiller, trauriger oder reizbarer geworden ist, solltest du nicht zögern und Unterstützung suchen. Psychische Erkrankungen im Kindesalter sind kein Makel, sondern behandelbar. Je früher, desto besser.

Wende dich an deine Kinderarztpraxis, sprich mit Erzieher*innen oder Lehrkräften oder nimm psychologische Beratung in Anspruch. Auch Kinder- und Jugendtherapeut*innen sind wichtige Anlaufstellen.

Zuhören, beobachten, Vertrauen schenken

Denke dran: Kinder müssen nicht perfekt funktionieren, sie müssen sich entwickeln dürfen. Überforderung lässt sich nicht immer vermeiden, aber sie lässt sich früh erkennen. Sei aufmerksam, sprich mit deinem Kind, schaffe Räume für Ruhe und zeig: Du bist da, ganz egal, wie’s läuft.

Wenn du dich selbst überfordert fühlst: Auch das ist okay. Hole dir Rat, tausche dich aus, nimm Hilfe an. Denn starke Eltern helfen Kindern am besten, selbst stark zu werden.

Information

Kompass für Kinder und Jugendliche: Schnelle Hilfe bei psychischen Krisen

Du bist zwischen 14 und 18 Jahren alt und leidest unter einer akuten psychischen Belastungssituation, die dich gesundheitlich oder sozial beeinträchtigt? Dann sind wir mit unserem Angebot „Kompass“ für dich da.