Ableismus: Vorurteile mit Folgen

Stell dir vor, andere setzen immer voraus, dass du etwas nicht kannst, und bieten dir unnötig Hilfe an. Komische Vorstellung? Menschen mit Behinderungen erleben das immer wieder. Dahinter steckt Ableismus, ein problematisches Denkmuster.

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Stell dir vor, andere setzen immer voraus, dass du etwas nicht kannst, und bieten dir unnötig Hilfe an. Komische Vorstellung? Menschen mit Behinderungen erleben das immer wieder. Dahinter steckt Ableismus, ein problematisches Denkmuster.

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Ableismus: Definition

Der Begriff Ableismus geht auf das englische „to be able to“ zurück. Das bedeutet so viel wie „fähig sein, etwas zu tun“. Ableismus bezeichnet den Umstand, dass wir in einem System leben, das von gesunden Menschen als „Normalzustand“ ausgeht. Alle anderen, also diejenigen, die eine körperliche oder psychische Behinderung haben, gelten als unvollständig, unnormal oder „kaputt“, weil sie nicht der Norm entsprechen. In einem ableistischen System sind Menschen vor allem dann etwas wert, wenn sie etwas leisten. Ableismus ist also eine Form von Diskriminierung, die man überall findet: in Behörden, Institutionen und Unternehmen sowie in den Köpfen der meisten Menschen. Wir alle wurden ableistisch geprägt, und so sind diese Denkweisen fest in uns verankert. Behinderung wird nicht als neutrales Merkmal wahrgenommen, sondern ist mit negativen Vorurteilen verknüpft.

Ableismus im Alltag

Ableismus tritt immer dann zutage, wenn Menschen im Alltag auf ihre Behinderung oder auch ihre Lernschwierigkeit reduziert werden und dies dazu führt, dass sie ungleich behandelt werden. Du siehst also z. B. eine Person mit einer starken Sehschwäche und gehst sofort davon aus, dass sie kein Mitglied in deinem Sportverein werden kann. Oder dass sie sicher unglücklich über ihre Lebenssituation ist. Diese Annahmen triffst du, ohne mit der Person gesprochen zu haben – einfach nur, weil du die Sehschwierigkeit wahrgenommen hast. Vielleicht sprichst du diese Gedanken auch gegenüber dieser Person aus. Dir ist dabei vermutlich gar nicht bewusst, dass das verletzend ist.

Ableismus äußert sich auf vielerlei Weise: in Alltagssituationen, im Beruf oder wenn eine Person an der Bäckereitheke übersehen wird, weil sie im Rollstuhl sitzt. Ableismus ist in unseren Strukturen fest verankert und hat konkreten Einfluss auf die Lebensumstände behinderter Menschen. So können sie häufig nicht selbstbestimmt entscheiden, wo und wie sie leben und arbeiten.

Aufwertender Ableismus

Es kann übrigens auch sein, dass eine von dir gut gemeinte Äußerung ableistisch ist. Du sagst also zu jemandem mit einer Behinderung: „Hey, dafür, dass du eine Prothese hast, kannst du echt schnell laufen.“ Auch dieses Lob ist diskriminierend. Denn du gehst offenbar davon aus, dass jemand mit einer Prothese nicht schnell unterwegs sein kann. Eine Aufwertung, wie in diesem Fall, kann also auch ableistisch sein, selbst wenn du es nicht böse gemeint hast.

Die Auswirkungen

Der Ableismus wirkt sich auf fast alle Lebensbereiche von Menschen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten aus. Zum einen machen Betroffene verletzende Erfahrungen. Zum anderen sind sie in vielen Bereichen von der Teilhabe in der Gesellschaft ausgeschlossen oder können kein selbstbestimmtes Leben führen. So ist die Medizin vor allem auf „gesunde“ Menschen ausgelegt. Außerdem ist die Wahl von Bildungsinstituten – wie Schulen – eingeschränkt. Das bedeutet, Menschen mit Behinderungen können nicht die Berufe ergreifen, die sie sich wünschen. Aus diesen Gründen haben Menschen mit Behinderungen ein höheres Risiko, von Armut betroffen zu sein, als Menschen ohne Behinderungen. Wenn sie in speziell für sie geschaffenen Einrichtungen wohnen und/oder arbeiten, sind sie zudem häufiger Gewalt ausgesetzt. Das geht auch aus einer Studie hervor, die das Bundesfamilienministerium und Bundesarbeitsministerium 2024 in Auftrag gegeben haben.

Gegen Ableismus vorgehen

Teilhabe ist ein Menschenrecht. Die Behindertenrechtskonvention der UN, die auch Deutschland unterzeichnet hat, verpflichtet dazu, dass Menschen mit Behinderungen die gleichen Rechte und Pflichten haben wie alle anderen. Das Ziel soll mit Inklusion erreicht werden. Durch Inklusion soll jede*r die Möglichkeit erhalten, sich umfassend und gleichberechtigt an der Gesellschaft zu beteiligen. Laut Statistischem Bundesamt haben 10 % der Menschen in Deutschland einen Schwerbehindertenausweis, und es gibt noch weit mehr Betroffene von Behinderungen. Leider ist es Realität, dass sie oft für die Teilhabe kämpfen müssen. Der Ableismus steht ihnen im Weg. Aus diesem Grund muss man über das Thema sprechen und aufklären. Du kannst bei dir selbst anfangen, um Ableismus zu begegnen.

  • Rede mit deinem Gegenüber auf Augenhöhe.
  • Sprich eine Person mit Behinderung direkt an und kommuniziere nicht über ihre Begleitperson.
  • Behandle dein Gegenüber fair und nicht mitleidig.
  • Frag die Person nach ihrem Befinden und zieh nicht insgeheim Schlüsse über ihre Gefühlswelt.
  • Sprich Ungerechtigkeiten an, wenn du sie wahrnimmst. 
  • Klär dein Umfeld über Ableismus und seine Folgen auf.

Für Betroffene: Mit Ableismus umgehen

Es gibt keinen verlässlichen Schutz vor Ableismus. Aber du kannst lernen, dich gegen ihn zu wehren, wenn du aufgrund einer Behinderung mit ihm konfrontiert bist. Das kannst du tun: 

  • Tausch dich mit anderen Betroffenen aus und teil deine Erfahrungen. Dadurch fühlst du dich weniger allein und schärfst dein Bewusstsein für ableistische Kommentare und Mechanismen. Nur wenn du Ableismus erkennst, kannst du dich gegen ihn zur Wehr setzen.
  • Tritt für dich und deine Rechte ein. Das hilft gegen Gefühle wie Ohnmacht, Hilflosigkeit und Wut.
  • Mach dir bewusst, was du alles kannst und geschafft hast, z. B. beruflich oder im Sport. Das stärkt das Selbstbewusstsein.
  • Such dir Hilfe bei Beschwerdestellen oder einem Anwalt.
  • Lege dir in einem ruhigen Moment Sätze für Situationen zurecht, die dir häufig passieren. Dann hast du sie schnell parat und kannst sie anbringen. Das hat den positiven psychologischen Effekt, dass du die Kontrolle über die Situation wiedererlangst und dich aus der Ohnmacht befreist.

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