Krankheitsangst verstehen und lernen, mit ihr umzugehen

Krankheitsangst ist keine Einbildung, sondern eine ernstzunehmende psychische Erkrankung. Erfahre, warum die Angst vor Krankheit so real ist, und was hilft, aus dem Kreislauf auszubrechen.

Zum Inhalt springen

Krankheitsangst ist keine Einbildung, sondern eine ernstzunehmende psychische Erkrankung. Erfahre, warum die Angst vor Krankheit so real ist, und was hilft, aus dem Kreislauf auszubrechen.

Zum Inhalt springen

Was ist Krankheits­angst?

Menschen mit Krankheitsangst, früher Hypochondrie genannt, sind überzeugt, schwer krank zu sein, obwohl keine organische Ursache gefunden wird. Sie achten übermäßig stark auf jede Regung ihres Körpers, googeln Symptome, besuchen Ärzt*innen oder lassen zahlreiche Untersuchungen vornehmen. Meist ohne Ergebnis. Trotzdem bleibt die Angst: Vielleicht wurde doch etwas übersehen?

Diese ständige Alarmbereitschaft ist keine Einbildung, sondern Ausdruck einer Angststörung. Der Körper reagiert tatsächlich: Herzklopfen, Schwindel, Zittern oder Verdauungsprobleme entstehen durch Stresshormone – was die Betroffenen wiederum als Bestätigung für ihre Befürchtungen deuten. Ein Teufelskreis beginnt.

Gut zu wissen: Fachleute sprechen heute nicht mehr von „Hypochondrie“, sondern von einer hypochondrischen Störung oder Krankheitsangststörung. Der ältere Begriff gilt als stigmatisierend, weil er oft abwertend verwendet wurde. Etwa im Sinne von „stellt sich an“ oder „bildet sich etwas ein“. Dadurch wurden Betroffene nicht ernstgenommen, obwohl hinter der Hypochondrie eine reale psychische Belastung steckt.

Was ist noch normal, und wann wird’s krankhaft?

Sich um die eigene Gesundheit zu kümmern, ist völlig normal. Auch gesunde Menschen können mal Angst haben, ernsthaft krank zu werden.

Problematisch wird es, wenn diese Angst das Leben beherrscht:

  • Du denkst ständig über körperliche Symptome nach.
  • Du suchst immer wieder medizinische Abklärungen, obwohl Befunde unauffällig sind.
  • Du vermeidest Praxen oder Menschen, aus Angst vor Diagnosen.
  • Ärztliche Entwarnung beruhigt dich nur kurz. Dann kommt die Angst zurück.
  • Dein Alltag, dein Schlaf oder deine Beziehungen leiden darunter.

Ein Hinweis auf Krankheitsangst kann sein, wenn du dich nach ärztlichen Untersuchungen nur kurz beruhigt fühlst und die Angst kurz darauf zurückkehrt. Häufig tritt sie gemeinsam mit anderen psychischen Belastungen auf, etwa mit Depressionen, Panikattacken oder Zwangsgedanken.

Laut der Spezialambulanz der Universität Köln zählen zu den typischen Erkrankungen, die befürchtet werden, vor allem Krebs, Herzleiden oder neurologische Krankheiten. Also Erkrankungen, die große Furcht auslösen.

Ursachen: Woher kommt die ständige Angst?

Die Gründe für Krankheitsangst sind vielfältig. Zu den zentralen Faktoren gehören u. a.:

  • Kontrollbedürfnis und hohe Sensibilität: Wer Sicherheit sucht, neigt dazu, Körperwahrnehmungen ständig zu überwachen.
  • Erfahrungen in der Kindheit: Krankheitsfälle in der Familie, emotionale Vernachlässigung oder Unsicherheit in der Entwicklung können eine Anfälligkeit fördern.
  • Aufmerksamkeit und Fehlinterpretation: Normale Körperempfindungen werden als gefährlich interpretiert; der Fokus liegt auf Gefahren.
  • Sicherheitsverhalten: Häufiges Rückversichern, Arztwechsel, auch Doktor-Hopping genannt, oder ständiges Googeln wirken kontraproduktiv.
  • Stress, Überforderung, Lebenstraumata: Belastende Ereignisse, beruflicher Druck oder Verluste können die Angst verstärken.

Hinzu kommt, dass Medienberichte über Krankheiten oder medizinische Themen die Ängste triggern können. Sie stellen oft Worst-Case-Szenarien dar und verstärken die Bereitschaft zur Sorge.

Wie wird Krankheits­angst diagnostiziert?

Der 1. Schritt ist immer eine gründliche körperliche Untersuchung, um ernsthafte organische Erkrankungen auszuschließen.

Bleibt der Befund unauffällig, kann eine psychotherapeutische Abklärung folgen. Psycholog*innen oder Ärzt*innen für Psychiatrie schauen, ob die Angst in einem realen Verhältnis zu den körperlichen Symptomen steht und ob andere psychische Erkrankungen, z. B. Depressionen oder Angststörungen, vorliegen.

Wichtig: Die Diagnose ist keine „Einbildung“. Krankheitsangst ist eine ernstzunehmende psychische Erkrankung mit potenziell hohem Leidensdruck und Einschränkungen im Alltag – und sie ist behandelbar.

Behandlung: Hilfe annehmen und neue Strategien lernen

Die wirksamste Behandlung ist meist eine kognitive Verhaltenstherapie. Dabei lernst du, körperliche Empfindungen realistisch einzuordnen, deine Angstgedanken zu hinterfragen, dein Sicherheitsverhalten zu reduzieren und dich angstbezogenen Situationen zu stellen. Therapeut*innen helfen dir, den Kreislauf aus Sorgen, Körpersignalen und Angstgedanken zu durchbrechen. In manchen Fällen können auch Medikamente unterstützen, z. B. Antidepressiva. Vor allem dann, wenn zusätzlich Depressionen bestehen.

Hilfreich sind außerdem Achtsamkeitstrainings, Entspannungstechniken und der Austausch mit anderen Betroffenen. Selbsthilfegruppen, vor Ort oder online, bieten Verständnis und konkrete Tipps. Eine Selbsthilfegruppe in deiner Nähe findest du z. B. in der NAKOS-Datenbank.

Das Ziel ist nicht, die Angst vollständig auszuschalten, sondern sie auf ein handhabbares Maß zu bringen und wieder ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Was du selbst tun kannst

  • Beobachte dich. Aber nicht zu viel. Schreib Symptome auf, statt sie sofort zu googeln oder zu bewerten.
  • Reduziere sogenanntes Rück­ver­sicherungs­verhalten. Häufige Arztbesuche oder ständiges Bestätigungsbedürfnis helfen langfristig nicht.
  • Lenk dich ab. Bewegung, soziale Kontakte und Hobbys können helfen, den Fokus zu verändern.
  • Sprich offen mit Ärzt*innen, deiner Familie und Freund*innen. Sag, dass du Angst hast. Das ist kein Zeichen von Schwäche.
  • Hol dir professionelle Unterstützung. Psychotherapie ist kein Tabu, sondern ein Schritt in Richtung Gesundheit.

Mentale Gesundheit

Novego: Deine Online-Hilfe bei psychischen Belastungen

Wenn dich Sorgen oder Ängste im Alltag ausbremsen, such dir Unterstützung. Mit Novego findest du ein Online-Programm, das zu dir und deiner Situation passt.