Cyberchondrie: Wenn Googeln Angst macht

Ein Kribbeln im Bein, Kopfschmerzen oder Schwindel – und du googelst sofort nach der Ursache? Verständlich. Doch wer zu viel recherchiert, rutscht leicht in eine Spirale aus Angst und Unsicherheit: die sogenannte Cyberchondrie.

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Ein Kribbeln im Bein, Kopfschmerzen oder Schwindel – und du googelst sofort nach der Ursache? Verständlich. Doch wer zu viel recherchiert, rutscht leicht in eine Spirale aus Angst und Unsicherheit: die sogenannte Cyberchondrie.

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Was ist Cyber­chondrie?

Cyberchondrie, die digitale Form der Krankheitsangst, ist keine offizielle Krankheit, sondern beschreibt ein Verhalten, das viele kennen: Du googelst Symptome oder fragst die KI, und plötzlich liest du von schweren Erkrankungen, die zu deinen Beschwerden passen könnten. Aus einem Kribbeln im Bein wird dann schnell die Angst vor z. B. Multipler Sklerose.

Das Problem: Statt zu beruhigen, verstärkt die Online-Recherche oft die Sorgen. Denn die Suchergebnisse zeigen nicht die wahrscheinlichste, sondern häufig die dramatischste Antwort zuerst. So entsteht ein Kreislauf: Symptome – Recherche – Angst – mehr Recherche – noch mehr Angst. Fachleute nennen das den Verstärkungszyklus.

Warum passiert das?

Das Internet bietet unendlich viele Informationen, aber oft keine Einordnung. Viele Seiten sind nicht medizinisch geprüft oder setzen auf Schlagzeilen, die Klicks bringen.

Hinzu kommt ein psychologischer Mechanismus: Wenn du häufig von einer bestimmten Krankheit liest, hältst du sie automatisch für wahrscheinlicher. Das nennt sich Verfügbarkeitsfehler.

Menschen mit ohnehin hoher Krankheitsangst oder geringer Gesundheitskompetenz sind besonders gefährdet. Auch wer sich in stressigen Lebensphasen befindet oder schlechte Erfahrungen mit Ärzt*innen gemacht hat, neigt eher dazu, online nach Antworten zu suchen – und sich dabei zu verrennen.

Wie äußert sich Cyber­chondrie?

Betroffene googeln täglich oder sogar stündlich Symptome, vergleichen sich mit anderen, scrollen durch Foren und lesen medizinische Fachseiten, ohne sie richtig einordnen zu können.

Sie deuten jedes Körpergefühl als Hinweis auf eine ernste Krankheit und geraten in Panik. Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme und ein ständiges Gefühl von Unsicherheit sind typisch dafür.

Manche meiden Ärzt*innen aus Angst vor einer Bestätigung, andere rennen von Praxis zu Praxis, um endlich Gewissheit zu bekommen. Ohne Erfolg.

Warum ist Selbst­diagnose gefährlich?

Das Internet liefert keine neutralen Informationen. Algorithmen bevorzugen Inhalte, die Aufmerksamkeit erzeugen, also oft dramatische Krankheitsverläufe oder Extremfälle.

Hinzu kommt: Viele Webseiten sind nicht medizinisch geprüft. Auch KI-basierte Antworten können Halbwissen enthalten oder Symptome falsch einordnen. So kann aus einer harmlosen Erkältung in der Online-Suche schnell ein Tumor werden.

Selbstdiagnosen können außerdem zu Fehleinschätzungen führen: Wer sich selbst „behandelt“, übersieht unter Umständen echte Krankheiten oder verzögert notwendige Therapien.

Ab wann ist es krankhaft?

Ein bisschen Recherche ist völlig normal. Problematisch wird’s, wenn sie dich nicht mehr beruhigt, sondern verunsichert oder sogar belastet.

Typische Anzeichen sind:

  • Du verbringst täglich viel Zeit damit, Symptome zu recherchieren.
  • Du findest ständig neue Krankheiten, die „passen“ könnten.
  • Du suchst immer wieder Bestätigung, online oder bei Ärzt*innen.
  • Du merkst: Je mehr du liest, desto schlechter fühlst du dich.
  • Du hast körperliche Beschwerden, die keine organische Ursache haben.

Wenn du dich darin wiederfindest, kann eine Cyberchondrie vorliegen, also eine behandlungsbedürftige Angststörung.

Symptome und Folgen

Cyberchondrie äußert sich auf mehreren Ebenen:

  • Anspannung, Schlafstörungen oder Herzklopfen, ausgelöst durch die ständige Angst, krank zu sein.
  • Gedankenkreisen um Symptome. Du kommst aus dem Grübeln kaum noch raus.
  • Zwanghafte Recherche, oft auch nachts oder heimlich.
  • Häufige Arztbesuche oder -wechsel, weil du eine Diagnose suchst.
  • Rückzug aus dem Alltag, weil sich alles um mögliche Krankheiten dreht.

Langfristig kann das zu einer Angststörung, Depression oder Erschöpfung führen. Viele Betroffene wissen anfangs gar nicht, dass die ständige Unsicherheit selbst krank machen kann.

So kommst du aus der Spirale raus

Nicht alles, was online steht, ist medizinisch fundiert. Achte auf seriöse Anbieter wie das Bundesgesundheitsministerium oder deine Krankenkasse. Erkennst du Werbung, emotionale Sprache oder reißerische Titel, ist Vorsicht angesagt.

Nimm dir vor, nur 1x am Tag oder für max. 15 min zu suchen – und nicht mitten in der Nacht. Schreib dir auf, was du findest, und sprich es beim nächsten Termin mit deiner Ärztin oder deinem Arzt an.

In Erfahrungsberichten anderer stecken viele Emotionen – aber selten objektive Informationen. Bleib lieber bei neutralen, geprüften Quellen.

Nicht jedes Symptom lässt sich sofort erklären. Versuch, das auszuhalten. Entspannungsübungen, Bewegung oder Ablenkung helfen, nicht in Grübelschleifen zu geraten.

Wenn die Angst dich stark belastet, ist professionelle Hilfe sinnvoll. In einer kognitiven Verhaltenstherapie lernst du, deine Gedanken und Suchmuster zu erkennen und zu verändern.

Phone circle

Statt googeln: Lieber anrufen

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