Trauma Bonding: Wie du dich lösen kannst

Zwischen Love Bombing und Missbrauch: Wenn Betroffene von Gewalt sich nicht von der Tatperson lösen können, kann der Grund dafür eine Traumabindung sein. So schaffst du es raus aus dem Teufelskreis.

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Zwischen Love Bombing und Missbrauch: Wenn Betroffene von Gewalt sich nicht von der Tatperson lösen können, kann der Grund dafür eine Traumabindung sein. So schaffst du es raus aus dem Teufelskreis.

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Was ist Trauma Bonding?

Trauma Bonding, auf deutsch Traumabindung, beschreibt eine starke emotionale Bindung, die von wiederholten Phasen des Missbrauchs und der Belohnung geprägt ist. Auf Schläge, Demütigung oder sexuellen Missbrauch folgen romantische Liebesbekundungen, große Reue oder herzzerreißende Entschuldigungen. Obwohl die Betroffenen unter der psychischen und/oder körperlichen Gewalt leiden, fühlen sie sich emotional abhängig von der Täterin bzw. dem Täter. Trauma Bonding kann in romantischen und freundschaftlichen Beziehungen, aber auch in der Familie vorkommen.

So läuft der Zyklus aus Gewalt und Belohnung typischerweise ab:

  • Love Bombing: Die Tatperson überschüttet die Betroffene bzw. den Betroffenen mit Liebe, Aufmerksamkeit und Zuneigung.
  • Missbrauch: Die Stimmung schlägt um, und der Missbrauch beginnt. Häufige Formen der psychischen Gewalt in Beziehungen sind z. B. Gaslighting („Das bildest du dir nur ein!“), emotionale Erpressung („Wenn du mich verlässt, tue ich mir etwas an!“ und Isolation („Niemand außer mir versteht dich!“). Psychische Gewalt ist nicht immer direkt sichtbar, aber genauso ernst zu nehmen wie körperliche Gewalt, z. B. Schläge, Tritte, Würgen, sexualisierte Gewalt, Vergewaltigung oder Einsperren. Auch die Androhung von körperlicher Gewalt ist bereits Gewalt.
  • Versöhnung: Die Gewalt ausübende Person entschuldigt sich, zeigt Reue und beteuert, dass der Missbrauch ein Ausrutscher war und nicht noch mal vorkommen wird. Die Entschuldigung wird vielleicht begleitet von einem Geschenk, Blumen oder einem romantischen Date. Das gibt der bzw. dem Betroffenen ein Gefühl von Liebe und Sicherheit. Die bzw. der Betroffene vergibt daraufhin der Täterin bzw. dem Täter.
  • Wiederholung: Der Missbrauch beginnt erneut, gefolgt von einer erneuten Versöhnung.

Die Abwechslung von Belohnung und Bestrafung ist eine Art der Manipulation und führt zu einer biologischen Abhängigkeit – ähnlich einer Sucht. Betroffene klammern sich an die guten Momente und glauben, die Gewalt ausübende Person könne sich ändern. Sie beginnen, sich selbst zu hinterfragen, und bleiben in der Beziehung, weil sie denken, dass der Missbrauch ihre Schuld sei. Viele Täterinnen bzw. Täter isolieren ihr Opfer von Freund*innen und Familie, sodass es keine Unterstützung erhält.

So erkennst du Trauma Bonding

Tatpersonen zeigen häufig folgende Verhaltensmuster:

  • Sie fordern, dass du dich ihnen unterwirfst.
  • Sie wollen Kontrolle über dich und dein Verhalten. Dazu manipulieren sie dich oder zwingen dich vielleicht sogar zu bestimmten Handlungen.
  • Sie bringen dich dazu, dass du an deinen Gedanken und Gefühlen zweifelst.
  • Sie schränken deine Autonomie ein.
  • Sie halten Konflikte aufrecht und beenden diese nicht.
  • Sie isolieren dich von deiner Familie und deinen Freund*innen.
  • Ihre Gefühle offenbaren sie strategisch. Nur dann, wenn es für sie gerade nützlich ist.
  • Sie nutzen deine Schwachstellen aus.

Das führt dazu, dass sich auch dein Verhalten verändert:

  • Du fühlst dich stark emotional abhängig, obwohl du weißt, dass deine Beziehung nicht gesund ist.
  • Du entschuldigst das verletzende Verhalten der Täterin bzw. des Täters und versuchst, es zu rechtfertigen.
  • Obwohl du leidest, schaffst du es nicht, dich aus der Beziehung lösen.
  • Wenn du an eine Trennung denkst, fühlst du dich leer und ängstlich.

So kannst du dich befreien

Sag dir immer wieder: „Ich bin nicht das, was die Täterin bzw. der Täter über mich gesagt hat. Ich bin nicht das, was mir passiert ist. Ich bin wertvoll, so wie ich bin.“ Und dann werde aktiv.

Der 1. Schritt ist es, das Muster zu erkennen: Werde dir bewusst, in welcher Situation du dich befindest und wie es dir damit geht. Und dann hol dir Unterstützung. Vertrau dich Freund*innen, deiner Familie oder einer Therapeutin bzw. einem Therapeuten an. Gemeinsam könnt ihr überlegen, was dir jetzt hilft.

Du bist nicht schuld an deiner aktuellen Situation, und es ist auch kein Zeichen von Schwäche, dass du in diese Lage geraten bist. Du bist gut, so wie du bist, und hast Respekt verdient – egal was die Täterin oder der Täter sagt. Gewöhn dir gesunde Routinen an und erlaube dir schöne Dinge. Du hast verdient, dass es dir gut geht und du dich gut fühlst. Vernetz dich über ein Hobby oder eine Selbsthilfegruppe. Triff Entscheidungen ganz bewusst nur für dich: „Was möchte ich heute essen?“ „Was möchte ich heute Abend im TV schauen?“ Das stärkt auf Dauer dein Selbstwertgefühl.

Und: Setz klare Grenzen. Minimier den Kontakt mit der Täterin bzw. dem Täter oder vermeide ihn sogar komplett.

Hier findest du anonym und kostenlos professionelle Unterstützung:

Was Angehörige tun können

Wenn du vermutest, dass sich jemand in deiner Familie oder im Freundeskreis in einer ungesunden oder missbräuchlichen Beziehung befindet, kannst du das Thema vorsichtig ansprechen, deine Unterstützung signalisieren und unauffällig Hilfe anbieten. Sei nicht wütend oder enttäuscht, wenn dein Angebot erst einmal ausgeschlagen wird. Missbrauch ist mit viel Scham behaftet. Oft braucht es mehrere Anläufe, bis jemand bereit ist, Hilfe anzunehmen.

Mentale Gesundheit

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