Studie Arbeiten 2023

Die letzten Jahre sind von Ausnahmezuständen bestimmt: Corona-Pandemie, Energiekrise und Ukraine-Krieg. Zudem beeinflussen steigende Kosten und Sparmaßnahmen die Wirtschaft. Wie wirken sich diese Entwicklungen auf die Arbeitnehmer*innen aus? Unsere Studie liefert Antworten.

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Illustration: Mann arbeitet am Laptop
Die letzten Jahre sind von Ausnahmezuständen bestimmt: Corona-Pandemie, Energiekrise und Ukraine-Krieg. Zudem beeinflussen steigende Kosten und Sparmaßnahmen die Wirtschaft. Wie wirken sich diese Entwicklungen auf die Arbeitnehmer*innen aus? Unsere Studie liefert Antworten.

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Arbeitswelt im Wandel: Zwischen Selbstfür­sorge und Über­lastung

Stress, Misstrauen und Fluktuation am Arbeitsplatz: Wie Arbeitnehmer*innen ihren Berufsalltag empfinden, was die Generationen unterscheidet und wie Führungskräfte das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden stärken können. Ein Interview mit Wirtschaftspsychologin und Resilienz-Trainerin Patrizia Thamm über die Ergebnisse der repräsentativen Studie „Arbeiten 2023“ der Pronova BKK.

Portrait von P. Thamm: Psychologin und Resilienz-Trainerin

Unsere Expertin

Patrizia Thamm ist Wirtschaftspsychologin, Resilienz-Trainerin und Referentin Gesundheitsförderung bei der Pronova BKK.

Information

Zur Studie

Für die Studie „Arbeiten 2023“ wurden 1.204 Arbeitnehmer*innen ab 18 Jahren im November 2023 repräsentativ online befragt. Die Studie zeigt auf, wie Arbeitnehmer*innen Stress und Arbeitsklima wahrnehmen, wie sie mit Erkrankungen umgehen und welche Benefits Unternehmen ihnen in der Zukunft bieten sollten, um sie zu halten.

Pronova BKK: Frau Thamm, die Hälfte der Erwerbstätigen empfindet ihre Arbeit als stressig – mit steigender Tendenz. Überstunden, Termindruck und die ungleiche Verteilung der Arbeitslast sind die größten Stressfaktoren. Wie ordnen Sie diese Ergebnisse ein?

Patrizia Thamm: Der Arbeitsmarkt entwickelt sich weiter und das Berufsleben ist deutlich komplexer geworden. Ein hoher Stresspegel wird fälschlicherweise oft noch als Indikator für erstrebenswerten Erfolg gesehen. Hinzu kommen mobile Arbeitsmodelle, die immer mehr Unternehmen etabliert haben. Neben vielen gesundheitlichen Vorteilen birgt die Arbeit im Homeoffice aber auch Risiken: Das Abschalten fällt z. B. schwerer, wenn Berufs- und Privatleben immer mehr verschwimmen. Auch für neue Strukturen und gesunde Routinen in ihrem Arbeitsalltag müssen die Beschäftigten selbst sorgen und Platz schaffen – das fällt nicht jedem leicht.

Pronova BKK: Die 18- bis 29-Jährigen klagen deutlich häufiger über Stress. Ist die Gen Z weniger resilient als Generationen vorher?

Thamm: Nein, das würde ich nicht verallgemeinern. Allerdings wächst diese Generation in volatilen Zeiten, sozusagen im Dauerkrisenmodus auf. Allen voran die Corona-Pandemie hat uns alle, aber auch diese junge Generation gelehrt, dass sich Lebensbedingungen schlagartig ändern können und es keine Garantie für dauerhafte Sicherheit und Stabilität gibt. Wenn nicht auf eine sorgenfreie Zukunft gebaut werden kann, lebt die junge Generation deshalb viel bewusster im Hier und Jetzt.

Mentale Balance: Illustration einer balancierenden Frau

Pronova BKK: Das heißt?

Thamm: Bei der jüngeren Generation ist ein Umdenken erkennbar. Sie fordert mehr Raum für ihre Gesundheit ein als ältere Generationen, achtet stärker auf ihre mentale Balance und hegt direkt zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn Erwartungen wie eine gute Work-Life-Balance, Flexibilität und Gestaltungsspielraum sowie ein gutes Gehalt.

Pronova BKK: Es scheint noch viel Unverständnis für die jeweils andere Generation zu geben: 54 % der Befragten verdächtigen die 18- bis 29-Jährigen, sich krank zu melden, obwohl sie arbeitsfähig wären. Worauf führen Sie dieses Misstrauen zurück?

Thamm: Es ist erkennbar, dass sich die junge Generation durch ein sensibleres Frühwarnsystem für die eigenen Bedürfnisse auszeichnet, was aus meiner Sicht sehr wertvoll ist. Sie schreibt also ihrer Selbstfürsorge und eigenen Gesundheit eine hohe Priorität zu und zieht nicht um jeden Preis das Arbeitspensum durch, wenn sie gesundheitlich angeschlagen ist.

Natürlich kann es auch vorkommen, dass diese Entscheidung nach eigenem Ermessen manchmal ausgenutzt wird. Aber vor allem bei psychischen Problemen, die für das externe Umfeld oft nicht sichtbar sind, ist diese gelebte Selbstfürsorge sehr wichtig. Dies wird von den jüngeren und älteren Generationen aber noch sehr unterschiedlich betrachtet.

Illustration zweier Arbeitskolleg*innen die nebeneinander stehen

Pronova BKK: Inwiefern?

Thamm: Dort prallen Welten aufeinander. Die Generation Z reagiert achtsamer und reflektierter auf Arbeitsbedingungen, die nicht mit der Erhaltung ihrer Gesundheit vereinbar sind. Das ist auch richtig, damit die Gefahr für Phänomene wie eine innere Kündigung oder auch psychische Probleme – die unsere Studie zeigen – minimiert wird. Wer gut erholt und zufrieden seinen Job macht unter Arbeitsbedingungen, die ihr/ihm zusagen, wird auch entsprechende Leistung erbringen. Sich langfristig, um jeden Preis und ungeachtet von jeglichem gesundheitlichen Risiko durchzubeißen, halte ich für eine gefährliche Haltung.

Pronova BKK: Warum?

Thamm: Es geht darum, Grenzen zu erkennen und zu setzen. Das gelingt der heutigen Generation besser. Tendenziell haben die Älteren früher mehr hingenommen, als es die Jüngeren heute bereit sind zu tun. Es war üblicher, ungesunde Arbeitsbedingungen zu ertragen als auch Entscheidungen und Prozesse weniger infrage zu stellen. Ein Burn-out war sicherlich nicht erstrebenswert, gehörte im Notfall aber dazu. Es ist eine wichtige Führungsaufgabe, ein gegenseitiges Verständnis zwischen den Generationen herzustellen.

Pronova BKK: Wie meinen Sie das?

Thamm: Von der Generation Z wird gerade oft ein sehr negatives Bild gezeichnet – ihnen wird vorgeworfen, sie seien fragil, wenig belastbar und arbeitsscheu. Würden diese Attribute auf die rund 12 Millionen Menschen zutreffen, die der Generation Z zugeordnet werden, hätten wir tatsächlich ein Problem. Dem ist aber nicht so, auch wenn immer wieder Beispielfälle in den Medien auftauchen, die dieses negative Bild bekräftigen. Die Gen Z will arbeiten, will sich engagieren, aber sie fordert für ihren Einsatz eben andere Bedingungen ein. Selbstverständlich muss das Ermöglichen dieser Wünsche und die Bedingungen in einem Rahmen stattfinden, der einem kollegialen, unterstützenden Miteinander im Team und dem Unternehmenserfolg nicht konträr gegenüberstehen.

Illustration von einer Frau und einem Mann gemeinsam am Tisch

Pronova BKK: Was also tun?

Thamm: Unternehmen sollten Betriebliches Gesundheitsmanagement und mentale Gesundheit mehr in den Fokus rücken. Zudem geht es künftig noch viel stärker darum, wie verschiedene Generationen zusammenarbeiten und voneinander profitieren können. Ältere Mitarbeitende können auf langjährige Berufserfahrungen zurückblicken und als geschätzte Mentor*innen fungieren, von denen die jungen Talente noch viel lernen können. Jüngere Mitarbeitende können hingegen frische Perspektiven einbringen und mit ihrer Energie und Motivation neuen Schwung in ein Team bringen. Diese Kombination kann für Unternehmen äußerst wertvoll sein, deshalb sollte der Austausch der Generationen möglichst gefördert werden.

Pronova BKK: Jüngere Beschäftigte wechseln überdurchschnittlich häufig den Job. Die Kündigung geht dabei häufiger von ihnen aus. Ist das konsequent oder bedeutet es nicht auch wieder Stress?

Thamm: Einerseits ist es konsequent, den Job zu wechseln, wenn Beschäftigte feststellen, sie können sich im aktuellen Unternehmen nicht weiterentwickeln, erhalten nicht die gewünschte Wertschätzung, sind mit den Arbeitsbedingungen oder auch dem Teamklima nicht mehr zufrieden. Dann ist es sicher richtig, woanders neu anzufangen. Andererseits kann es manchmal auch sinnvoll sein, zunächst ein offenes Gespräch mit dem aktuellen Arbeitgeber zu führen und möglichen positiven Veränderungen eine Chance zu geben. Unternehmen, die einen guten Mitarbeitenden halten wollen, werden sich bestmöglich dafür einsetzen.

Die Fülle an Jobmöglichkeiten und Chancen auf dem Arbeitsmarkt bedingen aber sicher auch die geringere Geduldsspanne für mögliche positive Veränderungen bei der Gen Z. Da wird auch eher ein häufigerer Jobwechsel in Kauf genommen, auch wenn das mit mehr Aufwand und sicher für den ein oder anderen auch mit mehr Stress verbunden ist.

Pronova BKK: Wie wirkt sich in diesem Zusammenhang der Fachkräftemangel aus?

Thamm: Die demografische Entwicklung und der Fachkräftemangel bedingt, dass die Generation Z eine viel stärkere Verhandlungsposition hat als frühere Generationen. Sie sind also in der angenehmen Position, wählerisch sein zu können. Wie schon angesprochen, die Gen Z will nicht auf die Zukunft warten, sondern ist Gestalter ihrer Gegenwart.

Pronova BKK: Mit Blick auf alle Befragten kennt fast die Hälfte Mitarbeitende, die bereits in eine innere Kündigung verfallen sind, Job nach Vorschrift machen oder sich aus Wut wegbewerben. Woran liegt das?

Thamm: Ja, das sind bedenkliche Werte, die eine hohe Unzufriedenheit der Beschäftigten widerspiegeln. Die Gründe für einen solchen Rückzug in die Mindestroutine oder einen Jobwechsel können sehr unterschiedlich sein wie fehlende Perspektiven zur Weiterentwicklung, Konflikte, Führungsfehler oder fehlende Wertschätzung. Mit den neuen hybriden Arbeitsmodellen ist es einfacher als früher geworden, sich ins Homeoffice zurückzuziehen und in der Komfortzone unentdeckt zu bleiben. Sicher ist der regelmäßige Kontakt der Führungskraft mit dem Team essenziell, um hier entgegenzuwirken. Auch konstante Mitarbeiterbefragungen mit entsprechenden Maßnahmen können eine hohe Arbeitsunzufriedenheit aufdecken, um rechtzeitig reagieren zu können.

Homeoffice: Illustration einer Frau am Laptop

Pronova BKK: Wird da bisher zu wenig gegengesteuert?

Thamm: Die Verantwortlichen haben es enorm schwer – trotz Bemühungen und qualifizierter Angebote – den Präsenz- und Büroalltag wieder attraktiv zu machen und damit auch ein Stück weit wieder mehr mitzuerleben, was die Mitarbeitenden bewegt und eventuell auch verunsichert oder verärgert. Nur so können oben genannte Arbeitsphänomene rechtzeitig erkannt und entgegengewirkt werden. Im Homeoffice erleben viele Unternehmen mittlerweile eine Art „selbstverständliche Undankbarkeit“: Je mehr Möglichkeiten, Flexibilität und Handlungsspielraum das Homeoffice bietet, desto selbstverständlicher erscheinen diese Bedingungen und werden seltener wertgeschätzt. Im schlimmsten Fall kann so eine sinkende Leistungsbereitschaft einzelner auch bei motivierten und engagierten Mitarbeitenden zu Frustration und Resignation führen.

Pronova BKK: Was können Arbeitgeber*innen tun, um eine höhere Zufriedenheit und Loyalität der Mitarbeitenden zu erreichen?

Thamm: Die Unternehmen sollten in 1. Linie authentisch bleiben, also zu ihren Werten und Versprechen stehen und wohlklingende Phrasen aus dem Bewerbungsgespräch Wirklichkeit werden lassen. Sonst kehren qualifizierte Talente dem Unternehmen auch schnell den Rücken. Wer zudem authentisch das Thema psychische Gesundheit und Wohlbefinden glaubwürdig vorlebt und zur Priorität macht, kann als Arbeitgeber*in auch in Zukunft für die junge Generation attraktiv sein.

Mann mittleren Alters und mit Brille lächelt

Unsere Leistungen für Firmen

Wir helfen Ihnen, ein ganzheitliches und wirkungsvolles Betriebliches Gesundheitsmanagement in Ihrem Unternehmen umzusetzen. Stärken Sie mit unseren Angeboten die Gesundheit Ihrer Mitarbeitenden oder lassen Sie sich von uns zum Thema Gesunde Führung beraten. Wir stehen für eine gesunde Arbeitswelt ein.

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Arbeiten 2023

Ergebnisse einer Befragung von Arbeitnehmer*innen

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Pressereferentin

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