Auswirkungen einer Fehlgeburt auf die Psyche
Lange Zeit war es üblich, den Verlust des Kindes zu verschweigen. Eltern durften ihr Kind nicht einmal sehen, oft wurde es „entsorgt“, ohne Abschied, ohne Erinnerungen. So trugen viele Frauen, die ein ungeborenes Kind verloren, diesen Schmerz bis an ihr Lebensende mit sich. Auch heute erwartet das Umfeld oft, dass man schnell wieder „funktioniert“. Dieses Spannungsfeld aus tiefem Schmerz und äußerem Schweigen ist für viele eine enorme Belastung.
Nach einer Fehlgeburt kann es passieren, dass Betroffene in eine Depression rutschen oder sogar Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) entwickeln. Typische Anzeichen dafür sind etwa eine tiefe und anhaltende Traurigkeit, Schwierigkeiten beim Schlafen, innere Unruhe oder das wiederholte Durchleben des Verlustes.
Doch das Bewusstsein von Ärzt*innen, Hebammen und Psycholog*innen in Bezug auf diese Auswirkungen hat sich verändert. Immer mehr Kliniken haben erkannt, dass neben der medizinischen Versorgung die psychologische Unterstützung mindestens genauso wichtig ist, und bieten Seelsorge, spezielle Trauermöglichkeiten oder Erinnerungsfotografie an. Das lindert den Schmerz nicht, macht aber Trauer sichtbar und erlaubt, das Geschehene bewusst zu verarbeiten. Trotzdem: Der seelische Druck bleibt enorm, gerade weil das Thema Fehlgeburt weiterhin ein Tabuthema in unserer Gesellschaft ist.
Studien und Analysen
Forschungsergebnisse machen klar, wie groß die seelische Belastung sein kann:
Laut einer Längsschnittstudie des Instituts für Psychologie der Universität der Bundeswehr München entwickeln etwa 6-18 % der betroffenen Frauen in den ersten 9 Monaten nach einer Fehl- oder Totgeburt Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), Depression oder Angststörung.
Eine norwegische Metaanalyse von 13 Studien (1995-2019) bestätigt, dass Eltern nach einer Fehl- oder Totgeburt auch langfristig unter Angststörungen, Depressionen und PTBS leiden. Die Symptome sind kurz nach dem Ereignis besonders stark, können aber auch über Jahre bestehen bleiben.
Vielleicht erkennst du dich in diesen Zahlen wieder. Sie zeigen, dass dein Schmerz nicht ungewöhnlich ist – und dass du nicht allein bist. Bei manchen klingen die psychischen Folgen mit der Zeit ab, bei anderen halten sie lange an, manchmal sogar bis in eine erneute Schwangerschaft. Ob in der 6. oder 36. Woche, eine wichtige Erkenntnis ist, dass der Schmerz keine Schwangerschaftswoche kennt. Entscheidend ist, wie sehr du dich schon als Mutter oder Vater gefühlt hast. Wenn du dich mit der Elternrolle identifiziert hast, dann hast du ein Kind verloren, nicht „nur“ eine Schwangerschaft.