Prokrastination: Mehr als nur Faulheit
Fast jede*r kennt das Gefühl: Eigentlich müsstest du längst an einer wichtigen Aufgabe sitzen, doch plötzlich sind Aufräumen, Wäschewaschen oder der Griff zum Smartphone verlockender. Dieses ständige Aufschieben hat einen Namen: Prokrastination. Und es hat nichts mit Faulheit zu tun. Viele Menschen, die regelmäßig prokrastinieren, leiden unter Stress, Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen. Der Druck steigt – und genau dadurch fällt es noch schwerer, endlich loszulegen.
Manche Muster des Aufschiebens entstehen schon in der Kindheit. Wenn Kinder sehr stark unter Druck gesetzt werden, etwa durch hohe Erwartungen oder ständige Kritik, entwickeln sie oft Angst vor Fehlern. Anstatt Neues auszuprobieren, vermeiden sie Aufgaben, um mögliche Misserfolge zu verhindern. Auch fehlende Struktur im Alltag kann dazu führen, dass Kinder keine Strategien lernen, wie man große Aufgaben in kleine Schritte zerlegt. Diese Erfahrungen prägen sich ein und können im Erwachsenenalter dazu beitragen, dass Prokrastination zu einem gewohnten Verhaltensmuster wird.
Auch biologische und psychologische Mechanismen spielen eine Rolle. Prokrastination hängt eng mit dem Belohnungssystem im Gehirn zusammen. Unangenehme Aufgaben aktivieren Stress oder Angst – und werden deshalb gemieden. Stattdessen suchen wir Tätigkeiten, die schnelle Belohnungen versprechen, wie Social Media oder kleine Alltagsaufgaben. Kurzfristig fühlt sich das besser an, langfristig wächst jedoch der Druck. Hinzu kommt, dass Menschen mit starker Prokrastination häufig zu Perfektionismus neigen: Aus Angst, nicht gut genug zu sein, fangen sie gar nicht erst an. Ähnliche Schwierigkeiten zeigen sich auch bei einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Betroffene kämpfen oft mit innerer Unruhe, Konzentrationsproblemen und fehlender Struktur – alles Faktoren, die Prokrastination zusätzlich begünstigen können.